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«Ein echter Mann hat einen Sohn. Die Geschichte des Mannes in der Türkei von seiner Geburt bis zu seinem Vatersein» - Gürkan Buyurucu und Koray Yýlmaz-Günay (mondial. SIETAR Journal für interkulturelle Perspektiven, Nr. 2/2008, Seiten 12–14)
Ob es auf eine instinkthafte Fortsetzung des Familiennamens oder dem Beibehalten der Herrschaft zurückgeht – ein Säugling, der sich nach der Geburt als Junge herausstellt, hat immer noch einen höheren Stellenwert als seine femininen Kolleginnen. Auch wenn seit Urzeiten in Sagen und Mythen Geschichten des Jungen erzählt werden, der sich bedingungslos der Mutter unterwirft, deckt sich das selten mit einer Realität, in der Männern beigebracht wird, dass Mädchen und Frauen das «schwache» Geschlecht sein müssen. Für die Zukunft der Gesellschaft ist der Mann ohnehin wichtiger; mit seiner Bestimmung und Durchsetzungsfähigkeit sichert er das Fortbestehen des Systems, dessen Herr er gleichzeitig ist und bleiben will. Seine Kühnheit und sein Mut gereichen der gesamten Familie zur Ehre – so wie die Sittsamkeit der Frau. Schon das ungeborene Kind ist konfrontiert mit einer der beiden vorgesehenen Rollen: «Ein ech-ter Mann bekommt einen Sohn», heißt es in einem türkischen Sprichwort. Und wehe, wenn ein Säugling diese Erwar-tung enttäuscht!
Dabei ist die Geburt, die dem Mann quasi widerfährt, ohne dass er etwas dafür kann, ja noch das einfachste; von der Durchtrennung der Nabelschnur wissen die wenigsten später noch als Trauma zu berichten. Es ist aber schwierig, zum türkischen Mann zu werden – und dann einer zu bleiben. Und zwar gerade wegen des enormen Ansehens, um das es da geht. Wo noch als Schulkind die Sorge um den «Paþa» einen maximalen Stellenwert genießt, ist der anstehende Rollenwechsel schon in dieser Zeit angelegt. Ganz im Widerspruch zum Objekt der Sorge von Vater, Mutter und Geschwistern muss er schließlich bald ein Subjekt werden. Irgendwann ist es aus mit dem Frauenbad, in das er mit der Mutter noch reinkam. Die aufgebrachten Besucherinnen fangen an zu fragen, ob die Dame denn vorhabe, in der Zukunft auch ihren Ehemann mitzubringen…
«Es ist vollbracht, toi, toi, toi!»
Dann ist es Zeit für den ersten Schritt hin zum Erwachsenenleben. In einer regelrechten Prinzenuniform und im Beisein der Familie, von Bekannten und Nachbarn wird die Beschneidung der Vorhaut seines Pullermanns vorgenommen. Tapfer muss er das über sich ergehen zu lassen. Die Frage, warum das Abtrennen eines Stücks vom Pullermann einen Mann männlicher macht, fordert nicht nur die Vernunft von Kindern heraus. Dennoch wird nachwievor jede Generation von neuem von Kopf bis Fuß, vom Marschallstab bis zum Umhang, angekleidet, den Tag über amüsiert – und dann der Katastrophe überantwortet. Traditionell auf dem Rücken eines Pferdes, wenn dieses fehlt, gerne auch in einem offenen Sportwagen, wird den Nachbarn und Bekannten gezeigt: «Seht her, es ist ein neuer Mann im Haus!»
Mit dem Lied «Es ist vollbracht, toi, toi, toi!» werden beim Eintritt in die Männlichkeit Fakten geschaffen. Die erste Lektion heißt: Männer weinen nicht! Wer Muttersöhnchen genannt wird, weil er bei seiner Beschneidung weint, muss es selber wissen…
«Wenn du Kaugummi kaust, wächst dir kein Bart!»
Es sind oft Großmütter oder andere ältere Frauen, die Jungen Angst einjagen mit dem Märchen, dass ihnen kein Bart wachen werde, wenn sie weiter Kaugummi kauen. Ein Mann dürfe nicht Kaugummi kauen. Grundschullehrer und -lehrerinnen weisen Eltern darauf hin, dass Jungen blaue Schutzhüllen oder Beschriftungsaufkleber haben sollten. Bei den Spielen auf dem Pausenhof, in der Nachbarschaft oder im Freundeskreis merkt man, dass «Junge» oder «Mädchen» so etwas sein muss wie «gut» oder «böse». Männer lernen in der Pubertät die Rolle des dominanten und scheinbar souveränen Mannes, der Kinder, Effeminierte, Schwule und eben Frauen beherrscht. So wachsen sie im intimen Umfeld in ihre Rolle innerhalb der großen Gesellschaft herein. Sie wissen bald, wie sie sich im Fußballstadion, in Teestuben, an Straßenecken oder in Moscheen zu verhalten haben. An diesen Orten konstruieren und re-konstruieren sie ihre eigene Realität. Gespräche über den eigenen Körper, den der Frauen, über andere Männer, Maschinen, Mobiltelefone und Fußball sind das, was Männer zu Männern macht. Der maskuline Mann misst sich an anderen Männern und beurteilt sich selbst im Vergleich. Deswegen sind diese Orte so wichtig. Alleine wäre er nur Mann, zusammen mit anderen wird er zum maskulinen Mann. «Stärke erwächst aus Einheit», sagt man dazu auf Türkisch.
Der erste Besuch im Bordell erfolgt für gewöhnlich mit dem Onkel. Der gekaufte Orgasmus wird unter Freunden gefeiert und Monate lang erzählt. Dass gleichzeitig Mädchen, die ihre Jungfräulichkeit «verlieren», nicht dieselbe Erfahrung machen, muss nicht erwähnt werden; als «Unkeusche» werden sie auch unter den Frauen «schlecht» genannt. Während der Mann erst nach seinem Puffbesuch «Nationalspieler» wird, geraten Frauen zur «Hure» – paradoxer Weise also vermeintlich zu einer, die den Männern den Sex erst beibringt und die sie deswegen brauchen. Männlichkeit fußt gelegentlich eben auch auf den eigenen Widersprüchen…
Freilich gibt es die eine oder andere Ausnahme, die sich von der Norm absetzt. Aber auch ein «Mädchen-Ali» oder eine «Kerl-Fatma» finden ihren Platz in diesem System. So gilt beispielsweise der Charakter «Chauffeur Melahat» als anerkannte Ausnahme in der Männerwelt. Auch die männlichen Künstler, die im Minirock, mit hohen Absätzen und Make-up auf der Bühne stehen und mit femininer Gestik Sympathie einheimsen, gehören zu dieser Kategorie. Solche Übergänge zwischen den Geschlechtern werden mit einem Respekt betrachtet, der sich zwischen Toleranz und Ignoranz bewegt. «Auf der Bühne werden sie beklatscht und auf der Straße verprügelt», würden andere sagen.
«Der größte Soldat ist unser kleiner Mehmet»
«Ich habe dich für dieses Vaterland geboren», sagen Mütter je nach Konjunktur und weltpolitischer Lage seltener oder häufiger zu ihren Söhnen. Möchte ein Mann seiner nationalen Pflicht nicht nachkommen, läuten die Glocken der Endzeit. Gerade, wenn es wieder eine Krise mit Griechenland gibt oder der Kampf gegen die PKK auch auf Nachbarländer ausgeweitet wird, bestätigen sich nicht nur Männer gegenseitig. An der Grenze Wache zu stehen und im Schlamm zu kriechen, um «unser Vaterland» gegen seine «Feinde» zu verteidigen und in Medina die Gruft des Propheten Mohammed zu bewachen, gelten häufig als gleichwertig.
Ohne den Militärdienst abgeleistet zu haben, gilt der türkische Mann ohnehin nicht als vorbereitet auf das soziale Leben. Wer seinen Militärdienst nicht abgeleistet hat, bekommt keine Braut und keine Arbeit; er ist sozial «behindert» und gilt als Softie, der nicht zu den vollwertigen Männern zählt. Ohne monatelang morgens «Jeder Türke wird als Soldat geboren und stirbt als Soldat» skandiert zu haben, kann man kein Mann werden. Die Kaserne fungiert als Schule, in der man mit strengster Disziplin für das bevorstehende «gnadenlose» Leben abgerichtet wird. So kennt beispielsweise jemand, der noch nicht in der Armee war, keinen Respekt vor der Stärke, weil er keinen Hauptmann kennengelernt hat, der ihn gescholten oder verprügelt hat. Er soll über die Kriegsspiele seiner Kindheit hinausgehen, den Umgang mit Waffen lernen und notfalls sein Gewehr strafen, wenn es nicht feuert. Er soll seinen Eintopf mit seinen Kameraden teilen. Mit dem, was er von den anderen Männern hört und an ihnen sieht, soll er seine Männlichkeit festigen. Er soll in der Armee auch Heimweh haben und den Wert seiner Eltern schätzen lernen. Ist er Analphabet, wird er alphabetisiert und mit einem Dankbarkeitsgefühl aufgeladen, ist er Kurde, lernt er hier Türkisch – nicht jeder Mann in der Türkei ist automatisch auch ein türkischer Mann. Auf Befehl einzuschlafen und auf Befehl aufzustehen, ohne zu stolpern gerade zu stehen, zu jagen, Stärke zu zeigen, keinen Schmerz zu empfinden, mit seinen Geschlechtsgenossen erbittert zu konkurrieren, technische Probleme zu bewältigen, zur Not skrupellos und zerstörerisch zu sein und auch sein Wort zu halten, all das lernt er in der Armee als erstes. Nachdem er diese Tugenden erworben hat, ist er auch im Frieden stets auf der Hut; er will um jeden Preis gewinnen, und jede Hürde ist ihm ein Feind. Der Kasernenhof ist ein Männerhof; er ist von Kopf bis Fuß maskulin. Gleichgültig, ob effeminiert oder nicht, homosexuelle Männer sind dort unerwünscht. Die Kaserne lässt nur virile Männer zu; passive Männer werden als untauglich («faul», «verdorben») eingestuft. Homosexualität widerspricht vor allem den militärischen Normen und Disziplinregeln, sie ist unmoralisch, weil sie unmännlich ist. Unser kleiner Mehmet, wie der türkische Soldat genannt wird, ist ein anständiger Bursche. Mit seinen Geschlechtsgenossen macht er lieber Krieg als Liebe.
«Die Stütze des Hauses»
Nach der Rückkehr vom Militär, zur Reife gelangt, geformt und mit den bitteren Wahrheiten des Lebens vertraut, kann er seinen Eltern Dankbarkeit erweisen; ihnen verdankt er schließlich alles. Das tut er, indem er als gereifter Mann in den Ehestand tritt und um sich seine eigene Familie schart. Als Mann ist er jetzt in voller Blüte. Seine erste Aufgabe lautet: Mehren! Mit seiner Auffassung, dass die Sexualität gleich Fortpflanzung ist, will er sich vervielfältigen. In allem, was er tut, hat er Recht. Vor allem ist er dazu verpflichtet, seinem Weib alles beizubringen, was er von ihr im Bett erwartet. Dass seine Frau Jungfrau ist, ist in der Hinsicht bedeutsam, dass seine Erfahrenheit dadurch erst zum Vorschein kommt. Seine Majestät ist der erste Konsument und ein bewusster Verbraucher.
Der Mann hat immer viel zu tun und ist oft müde. Häufig bleibt er mit seinen Freunden hier und dort hängen und lässt seine Frau warten. Und trotzdem ist er der, der das Brot verdient und für die Familie sorgt. Seine Frau lässt er nicht arbeiten, er ist erfolgreich, wenn sie von ihm abhängig ist. Er lässt sie vielleicht nicht seine Füße waschen, aber wenn ihm nach Sex ist, lässt er sich nicht zurückweisen; sein Wunsch hat Befehl zu sein. Seine Aufgabe im Haus besteht vor allem auch darin, sich nach der Arbeit an den von seiner Frau und seinen Töchtern vorbereiteten Tisch zu setzen, den Alltag der Familienangehörigen zu kontrollieren, fernzusehen, und womöglich mit Nichtstun seine Herrschaft zu genießen. In seinem eigenen Haus lebt er wie ein Gast.
Unterschiedliche Männlichkeiten
Als Junge wird man geboren, zu einem Mann wird man gemacht. Das ist in der Türkei nicht anders als anderswo. Da das Patriarchat trotz aller Emanzipationsbewegungen auch dort fortexistiert, ist der Mann aber, um ein Mann zu werden, auf weitere Männer angewiesen. In Folge ökonomischer Sachzwänge treten in den letzten Jahren aber an die Stelle der ehemaligen Trennlinien nun auch in der Türkei Übergänge. Die streng nach den Geschlechtern festgelegte traditionelle Arbeitsteilung stößt an immer mehr Grenzen. Jagen und für das Haus sorgen – das interessiert nun, wenn auch für Männer schwer hinnehmbar – auch die Frauen. Ebenso wird nun von den Männern in der Küche mehr erwartet, als nur den Salat zu machen. Zum ersten Mal wird nicht nur staatlich gewünscht, sondern auch als gesellschaftlich gelebtes Phänomen Männlichkeit unter die Lupe genommen und zum Teil immer heftiger hinterfragt.
Trotz dieser Tendenzen und Wandlungen sucht Männlichkeit aber nach angepassten und veränderten Selbstdefinitionen, die es ihr möglich machen, die Macht zu behalten und sich selbst uns Ihresgleichen zu reproduzieren. An die Stelle des strengen, gewaltsamen und repressiven Mannes ist der so genannte «Steinofenmann» getreten, der seine Frau, die ebenso erwerbstätig ist, nicht schlägt und die wichtigen Entscheidungen gemeinsam mit ihr trifft, aber in Gegenwart der dritten Person so tut, als halte er die Fäden in der Hand. Effeminiert wirkende und gepflegte Heterosexuelle, die auf Ästhetik und Charme Wert legen, distanzieren ihre Männlichkeit vom Homosexualitätsverdacht, indem sie sich «metrosexuell» nennen.
In einer Gesellschaft, in der Jungfräulichkeit als Heiligtum verehrt wird, hat das Flirten seine Grenzen. Wenn es um den Sex vor der Ehe geht, trennen sich die Wege der Männer und Frauen. Die Pflicht von jungen Frauen, ihre Jungfräulichkeit zu behalten, und die Ablehnung des Analverkehrs im Koran versetzen die Männer, was sexuelle Befriedung angeht, in eine schwierige Lage. Auch Masturbation ist – vermeintlich religiös bedingt – nicht besonders erwünscht. So wird der Mann eines Tages selbst zum Vater, der sich einen Sohn wünscht, weil ein «echter Mann» eben einen Sohn bekommt, wie das Sprichwort sagt. Vielleicht müsste man die Sprichwörter abschaffen, um den gesellschaftlichen Fortschritt zu beschleunigen?
A Real Man!! - Gürkan Buyurucu and Koray Yýlmaz-Günay (This article was published in German in mondial. SIETAR Journal für interkulturelle Perspektiven, Vol. 2/2008, Pages 12–14.)
Whether it hearkens back to the instinctive continuation of the family name or the retaining of the authority—a baby, who after the birth turns out to be a boy—is always worth more than his female colleagues. Even though legends and myths have been told about boys since eternity, who submit unconditionally to their mothers, it seldom corresponds to the reality in which men are taught that girls and women must be the «weaker» sex. For the future of society, the man is more important anyway; with his determination and assertiveness he secures the continuity of the system, whose master he is and will remain… His temerity and courage do honor to the whole family—and the morality of the woman. Already the unborn child is confronted with his role: a real man fathers a son, according to a Turkish saying. And woe is the baby who doesn’t meet these expectations!
Then there is the birth, which sort of happens to the man without him being able to do anything about it except perhaps the simplest; a few of them at least know to report the cutting of the umbilical cord as a trauma. But it’s difficult becoming a Turkish man—and especially staying one! And just because of this enormous prestige-that is what it’s all about. Even as a pupil, he enjoys the superior position of the «Paþa»; the future process of the changing of roles is already being set in motion. Contrary to the object of care from the father, mother and sibling, he must make the change to a subject. At some point it is in the women’s bath, in which he was always able to go into with his mother. The angry visitors begin to ask, if the proprietress has plans to let them bring their husbands in the future…
«It’s done, it’s over, praise God!»
Then it’s time for the first step in becoming an adult. The circumcision of the penis’s foreskin takes place in a proper uniform and in the presence of the family, acquaintances and neighbors. Courageously, he has to accept what is happening to him. The question, why the removal of a piece of his penis makes a man manlier, does not only challenge the reasoning of a child.
As usual, every generation is present—decked out to the nines and having a great time—and then comes the catastrophe. Afterwards, the kid minus foreskin is traditionally paraded around on the back of a horse, but when this isn’t possible a convertible will do. «Look here—there is a new man in the house!»
With the song, «It’s done, it’s over, Praise God!» the entrance to masculinity is achieved. The first lesson is called «Men don’t cry!» Whoever cries at his circumcision knows that he will be called a momma’s boy…
«If you chew gum, you won’t grow a beard!»
It is often grandmothers or other older women who scare the boys with old wives tales that say, for example, that they won’t grow a beard if they keep chewing gum. A man is not supposed to chew gum. School kids and teachers let parents know that boys are supposed to have blue report covers or labels. During the games in the schoolyard, the neighborhood or among friends, one notices that «boy» or «girl» means something like «good» and «bad.»
In puberty, men learn the role of the dominant and obviously superior man, who rules over children, the effeminate, gays and women. They quickly learn how to behave in football stadiums, in tea houses on the street corners or in mosques. In these places they construct and reconstruct their own reality. Conversations about their own bodies, those of women, about other men, machines, mobile telephones and football are those things that make men. The masculine man compares himself to other men and judges himself in comparison. That’s why these places are so important. Alone, he would be just a person, but together with other men he becomes a masculine man. Strength comes in numbers, says one in Turkish.
The first visit to the brothel generally happens under the direction of an uncle. The bought orgasm is celebrated later on with friends and talked about for months. It probably doesn’t need to be mentioned that girls who «lose» their virginity do not have the same experience; as «impure» they are labeled «bad» by other women. As the man joins the «national team,» women become «whores»—paradoxically these are the ones who teach men about sex and therefore are also hated by other women. Masculinity is based on its own contradictions…
Admittedly there are the one or two exceptions outside of the norm. But an «Ali-girl» or a «Fatma-guy» also have a place within the system. For example, the character of the «Chauffeur Melahat» is a well-known exception in the world of men. Also, the male artists who stand on the stage in miniskirts, high heels and make-up and rake in applause with feminine gestures belong to this category. Such transitions between the sexes are treated with a respect that moves between tolerance and ignorance. Some would say that they are applauded on the stage and beaten up on the streets.
«The greatest soldier is our little Mehmet»
«I bore you for the Fatherland,» say the mothers to their sons according to the particular geopolitical situation at the time. If a man doesn’t want to fulfill his national duty, too bad—especially if there is yet another crisis with Greece or if the fight against the PKK is enlarged to include neighboring lands. To patrol the border and to crawl through mud, in order to defend «our Fatherland» against its «enemies» is often considered on par with guarding the grave of the Prophet Mohammed in Medina.
Without having finished the compulsory military service, the Turkish man is not considered prepared for adult social life. Whoever has not completed the service gets neither bride nor work; he is socially handicapped and is considered a wimp who doesn’t belong to the group of full-fledged men. One cannot become a man without chanting «Every Turk is born a soldier and dies a soldier» for months. The military base functions as a school in which drills them with the strictest discipline for the merciless life ahead of them. People always know someone who didn’t go to the army and gets no respect from other men because he never had a captain who yelled at him and beat him. He is supposed to transcend his childhood with war games, learn how to handle weapons and punish it if needed when it doesn’t fire. He is supposed to share his stew with his comrades. He is supposed to cement his masculinity with that which he has heard and seen from other men. He is supposed to suffer from homesickness in the army and learn the real worth of his parents. If he is illiterate, he will be made literate and be charged up with a feeling of gratitude. If he is Kurdish, he will learn Turkish—not every man in Turkey is automatically a Turkish man. To fall asleep on watch and to get up on watch, without stumbling, to hunt, to show strength, to not feel pain, to grimly compete with gender comrades, to handle technical problems, to be unscrupulous in a pinch and to be destructive, to keep his word—all that is learned in the army. After he has gained these virtues he is peace instead of being on guard; he will win at any cost and all hurdles are enemies to him. The barrack yard is a man’s yard; it is masculine from top to bottom. Regardless whether one is effeminate or not, homosexual men are unwanted there. The army base allows only virile men; passive men are classified as inept (lazy, spoilt). Homosexuality contradicts above all the military norms and disciplinary methods. It is immoral because it is unmanly. Our little Mehmet, like the nickname of the Turkish soldier, is an upstanding fellow. He would rather make war than love with his gender comrades.
The Pillar of the House
After his return from the military, ripe, formed and trusted with the bitter truths of life, he can prove his gratitude to his parents, he thanks them above all. He does that by getting married as a mature man and surrounds himself with his own family. As a man he is now in full bloom. His first duty is: more! With the view that sexuality is the same as fertilization, he wants to reproduce himself. In everything that he does, he is correct. Above all he is bound to teach his woman everything he expects from her in bed. That his wife is a virgin is meaningful in this respect because it makes him look experienced in contrast. His majesty is the first user and a conscious consumer.
The man often has too much to do and is tired. He often hangs around with his friends and makes his wife wait. And still, he is the one that earns the bread and takes care of the family. He doesn’t allow his wife to work. He is successful when she is dependent on him. Maybe he doesn’t make her wash his feet, but when it comes to sex, he doesn’t allow her to refuse: his wish is her command. His duty in the house consists of mainly sitting at the table prepared by his wife and daughters, to control the daily life of the family members, to watch television, and where possible enjoying his power by doing nothing. He lives like a guest in his own house.
Different Masculinities
One is born a boy and becomes a man. It is not any different in Turkey than it is anywhere else. Patriarchy exists there despite all emancipation movements. In order to become a man, the man must rely on other men. However, due to economic constraints that have arisen the former dividing lines in Turkey are now in transition. The effort to keep the traditional division of labor according to gender is running across more and more obstacles. Hunting and taking care of the house—that interests the women now as well, even though it’s a little difficult for the men to swallow. And it is not only expected of men just to make the salad in the kitchen. For the first time, these changes are not just demanded by the state, but also by the society, where they are being carefully examined and increasingly challenged.
Despite these tendencies and transformations, masculinity is still looking for new, pliable self-definitions that enable it to keep its power and to reproduce itself. In the place of the strict, violent and repressive man, a new kind of macho has arisen: one who doesn’t hit his wife (who, by the way, is employed) and makes important decisions with her. When there is company, however, he pretends to hold the strings in his hand. Heterosexuals who appear groomed and effeminate, who give importance to looks and charm, distance their masculinity from homosexuality by calling themselves «metrosexual».
In a society where the maidenhood is considered holy, flirting has its boundaries. When it comes to sex before marriage, men and women part ways. The obligation of young women to keep their virginity and the denegation of anal intercourse in the Koran puts men in a difficult position in matters of sexual satisfaction. Masturbation is—even though reputedly tolerated in some forms of exegesis—not particularly desired. And so the man becomes a father himself one day, who wants a son, because a «real man» is supposed to have a son—like the old proverb. Maybe the old proverbs should be done away with, so that social advances can be accelerated?
«Kreuzberger Nächste sind lang» - Koray Yýlmaz-Günay (ZAG – Antirassistische Zeitschrift, Nr. 50, Herbst 2008)
Ein Übergriff auf sieben Personen, die in der Nacht vom 7. auf den 8. Juli 2008 das Dragfestival im SO 36 verließen, hat bewirkt, was in zahlreichen anderen Fällen ausblieb; neben einer ungeahnt breiten Mobilisierungswirkung zur Spontandemo am Tag nach dem Übergriff begann eine über interessierte Kreise hinaus reichende Debatte über Homo- und Transphobie, die gerade deswegen eine neue Qualität erreichte, weil die Angreifer als Migranten identifiziert wurden. Ohne so artikuliert zu werden, geriet die Demonstration zu einem Testlauf für eine Debatte über Trans- und Homophobie, die nicht in ethnisierenden Kategorien denkt, sondern das Problem als gesellschaftliches Phänomen in den Mittelpunkt stellt.
Bisher war es – in der medialen Wahrnehmung – bürgerlichen Schwulenorganisationen und -projekten vorbehalten, «Homophobie» zu thematisieren, besonders dann, wenn die in aller Regel männlichen Täter einen «islamischen» Hintergrund hatten. Im Rahmen kulturalisierender Argumentationen wurde vor allem seitens des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) mal vor «niederländischen Verhältnissen» gewarnt, mal die Einführung von «Muslimtests» auch in Berlin gefordert. Maneo, das «schwule Anti-Gewalt-Projekt in Berlin», warnt immer wieder davor, dass das hässliche Gesicht der Homophobie nicht vollends sichtbar wird, wenn aus Gründen politischer Korrektheit Migranten als «Täter» nicht so benannt werden dürfen. «Homophobie» wird dabei in aller Regel verstanden als körperliche Gewalt gegen schwule Männer; spezifische Ausprägungen von körperlicher wie auch nicht körperlicher Gewalt gegenüber Lesben und vor allem Transpersonen fallen – akzeptiert man die Kategorien des Mainstream – in niemandes Zuständigkeitsbereich. Dabei häufen sich in letzter Zeit verbale und physische Übergriffe auch gegen Lesben und Transgender. Gerade dort, wo queere Lebensweisen sichtbar sind und ein größerer Teil der Wohnbevölkerung «Migrationshintergrund» hat, gewinnen Vermeidungsstrategien im Bezug auf Verhaltensweisen und Orte an Bedeutung. Was als homo- und transfreundlicher Kiez daher kommt, lässt zumindest zu bestimmten Uhrzeiten oft keinen Platz für bestimmte Individualitäten. Eine emanzipatorische Debatte, die gesellschaftliche Ausschlussmechanismen nicht hierarchisiert, sondern beispielsweise Trans- und Homophobie im (Wechsel-) Verhältnis zu Rassismus analysiert und Grundlagen für eine Bekämpfung legt, steht allerdings noch aus.
Die Untersuchung «Einstellungen zur Homosexualität: Ausprägungen und sozialpsychologische Korrelate bei Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund» von Bernd Simon versprach in diesem Zusammenhang erste Antworten. Lesben- und schwulenfeindliche Einstellungen bei Jugendlichen, deren Eltern und Großeltern aus der ehemaligen Sowjetunion beziehungsweise aus der Türkei stammen, wurden darin verglichen. Die Ergebnisse verblüfften für einige Tage vor allem die Medien: MigrantInnen-Jugendliche sind «homophober» als die deutsche Vergleichsgruppe. Zwischen der Herkunft aus der UdSSR und der Herkunft aus der Türkei scheint es – was die Einstellungsebene anbetrifft – keinen Unterschied zu geben. Offensichtlich sind politische, soziale, kulturelle und religiöse Unterschiede in der Sozialisation keine Faktoren, die sich – im Ergebnis – unterschiedlich auswirken. Leider geht die Studie dieser Frage nicht nach. Die Erfahrungen als Deklassierte und Diskriminierte werden angesprochen, ihre Wirkung allerdings nicht interpretiert. Was das Bekenntnis zur Religiosität angeht und die Bedeutung der Familie, die beide offensichtlich eine besondere Rolle im Identitätsfindungsprozess in der Migration spielen, bereitet die Untersuchung zwar auf. Wie der Zusammenhang mit Lesben- und Schwulenfeindlichkeit aussieht, bleibt dagegen bedauerlicher Weise im Dunkeln.
Vollkommen gleichgültig hingegen scheinen dem Team um Bernd Simon soziale, ökonomische und aufenthaltsrechtliche Rahmenbedingungen gewesen zu sein. Der systematische Ausschluss von Bildung, der dank Pisa sogar bei konservativsten PolitikerInnen als Erkenntnis angekommen ist; das Gesetz der Nachrangigkeit auf dem Arbeitsmarkt; Risiken, was Armut und Gesundheit angeht – alles keine Themen, die im Bezug auf Menschenfeindlichkeit eine Rolle spielen.
Interessant für die ForscherInnen sind offensichtlich – wenig überraschend angesichts des Auftraggebers LSVD – kulturellreligiöse Bezüge vor allem der türkischen jugendlichen Befragtengruppe. Ungleich der christlichen Jugendlichen mit Wurzeln in der ehemaligen UdSSR wird hier auf die homophoben Tendenzen abgehoben, obwohl die Unterschiede im Bezug auf die Bedeutung der Religion kaum Unterschiede aufweisen. Der Studie immanent ist auch die Ignoranz gegenüber der eigens konstatierten Kumulation von Diskriminierungserfahrungen und dem Mangel an Kontakten zu Lesben und Schwulen. Würden die AutorInnen der eigenen Hypothese folgen, müsste die Homosexuellenfeindlichkeit bei türkeistämmigen Jugendlichen deutlich höher ausfallen, da bei türkischen Jugendlichen sowohl der Bezug zur Religion größer als auch die Diskriminierungserfahrungen häufiger und der Kontakt zu Homosexuellen geringer sind.
Am meisten verwundert bei der Betrachtung der Ergebnisse allerdings der Umstand, dass der Kategorie «Geschlecht» so wenig Bedeutung geschenkt wird. Vermeintlich werden Männlichkeitskonstruktionen betrachtet, die Konstruktion von Weiblichkeit(en) bleibt allerdings außen vor. Der Verdacht liegt nahe, dass genderspezifische Aspekte vor allem dann von Interesse sind, wenn sich damit der ohnehin vorhandene Verdacht einer besonderen Hypermaskulinität belegen lässt. Dem vollkommenen Außerachtlassen von Geschlechterverhältnissen mag es dann auch geschuldet sein, dass die zum Teil immens hohen Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Befragten nicht zum Gegenstand der Analyse werden. Es sind offensichtlich «Ethnizität» und «Islam», die hier untersucht werden sollen – zum Teil gegen die eigenen Vorausannahmen und Ergebnisse.
Festzuhalten bleibt, dass das Erkenntnisinteresse der Erhebenden ein ums andere Mal offensichtlich die Ergebnisse vor formuliert hat. Damit ist die Chance vertan worden, eine wichtige empirische Lücke zu schließen. In der Debatte über das Verhältnis zwischen (heterosexuellen) MigrantInnen und (deutschen) Schwulen sind wir weiterhin darauf angewiesen, von Mutmaßungen auszugehen, die von kulturalistischen Vorausannahmen geprägt sind – und von dem Bestreben von schwulen Männern, auf Kosten von Frauen, Transpersonen und MigrantInnen endlich «dazu gehören» zu dürfen. Es ist auch in, mit und nach dieser Untersuchung nicht möglich, sich von starren «Opfer»- und «Täter»-Zuschreibungen zu lösen, das komplizierte und komplexe Geflecht von eigener Ausgrenzung und der Ausgrenzung von anderen im Kontext zu denken. Was übrig bleibt, ist ein fahler Geschmack, der vor allem lesbischen Migrantinnen und schwulen Migranten das Signal gibt, dass sie sich entscheiden müssen, ob sie lieber über Rassismus oder über Homophobie sprechen wollen. Offensichtlich ist in dieser Gesellschaft noch nicht die Zeit gekommen, die Bedingtheiten zwischen beiden Phänomenen zu denken.
Andere Realitäten – gleiche Homophobie - Koray Yýlmaz-Günay (Jugendkultur, Religion und Demokratie. Politische Bildung mit jungen Muslimen, Nr. 11, 7. April 2009, Seiten 2–4)
Hat Homophobie unter jungen Muslimen religiöse oder kulturelle Ursachen und Motive? Und gibt es Besonderheiten, die man in der Prävention und pädagogischen Begegnung von homophoben Einstellungen unter Muslimen berücksichtigen muss? Für Koray Yýlmaz-Günay steht fest, dass der Hass auf Schwule und Lesben vor allem durch «kulturübergreifende» Faktoren bedingt ist.
Lesbischsein und Schwulsein werden in der Schule nicht oft behandelt. Manchmal ist es der Biologie-Unterricht, in dem «so etwas » seinen Platz findet. Dabei ist Homosexualität – wie alles rund um Geschlechterrollen und Sexualität – ein Thema, das Jugendliche sehr stark interessiert. Tatsächlich denken aber noch immer die meisten jungen Schwulen und Lesben, dass sie die einzigen in ihrem Umfeld sind, wenn sie ihr Coming Out haben. Eine Berliner Studie («Sie liebt sie. Er liebt ihn.») kam zu dem Ergebnis, dass die Selbstmordraten unter diesen jungen Menschen bis zu viermal höher sind als bei heterosexuellen Altersgenossen. Es sind nicht nur, aber gerade auch die jungen homosexuellen Menschen, die bei ihren Familien «rausfliegen», und dann zu den hohen Zahlen von Lesben und Schwulen unter Obdachlosen führen. Auf dem Lehrstellen- und Arbeitsmarkt, bei der Wohnungssuche oder bei Behördengängen sieht es nicht anders aus: Es ist nach wie vor nicht einfach, homosexuell zu sein. Noch komplizierter wird es, wenn die jungen Frauen und Männer aufgrund ihres Namens, ihres Aussehens, ihrer Sprachkenntnisse oder anderer Merkmale als «nicht-deutsch» wahrgenommen werden. Homophobie mischt sich mit Rassismus, die Diskriminierungen überlappen und verstärken sich gegenseitig.
Wie auch in anderen Bereichen ist es aber vor allem die Gewalt auf der Straße, die es in die allgemeine Debatte und die Medien schafft. Zehn Fälle von körperlicher Gewalt gegen Lesben, Schwule und Transgender-Personen dokumentiert die Opferberatungsstelle ReachOut für 2008 in Berlin – wobei dies sicher nur die Spitze des Eisbergs ist. Obwohl nur drei der Fälle in klassischen «Einwanderer-Bezirken» Westberlins, die anderen aber im Osten der Stadt geschahen, beherrschten junge «arabische» und «türkische » Täter die Debatte in Berlin. Es scheint, dass öffentliche Aufmerksamkeit für Schwulen- und Lesbenfeindlichkeit vor allem dann aufkeimt, wenn die Täter als «Muslime» identifiziert werden können. Ganz offensichtlich ist jedenfalls bei der Motivsuche vor allem der (zugeschriebene) ethnische/religiöse Hintergrund von großem Interesse.
Die Frage, was «der Islam», der Koran und/oder der für zuständig erklärte Imam zu Homosexualität und Homosexuellen sagen, verdeckt jedoch viel wichtigere Fragen nach Alter, Geschlecht und Lebensrealitäten. In der Konsequenz wird homophobe Gewalt häufig als «migrantisches»/«muslimisches » Phänomen gedeutet – als hätten die Jugendlichen, über die man spricht, Einmachgläser von den Großeltern bekommen, aus denen Mitgebrachtes Stück um Stück herausgenommen würde. Dabei sind weder auf der Ebene von Einstellungspotenzialen noch auf der Ebene von verbaler oder körperlicher Gewalt kultur- oder religionsspezifische homophobe Einstellungen bei arabisch-, türkisch-, kurdisch-, bosnisch- oder albanisch-stämmigen Jugendlichen ausschlaggebend. Das gilt auch dann, wenn auf der Oberfläche benutzte «Argumente» auf solche Quellen für die Entstehung von Hass auf Homosexuelle hindeuten mögen.
Man kann aber mit Sicherheit davon ausgehen, dass diese Jugendlichen tatsächlich Gewalttätigkeit entwickeln, die auch an Lesben und Schwulen ausgelassen wird, wenn bestimmte Merkmale wie Alter, gesellschaftliche Schicht und eigene Diskriminierung zueinander kommen: So sind es in aller Regel erstens deklassierte, zweitens junge und drittens männliche Personen, die Lesben und Schwule auf der Straße beleidigen, beschimpfen und häufig genug auch körperlich angreifen. Nur in den seltensten Fällen geht lesben- und schwulenfeindliche körperliche Gewalt von anderen Gruppen aus. Zudem spricht die Berliner Polizei, die eigens Ansprechpartner/innen für Opfer von homosexuellenfeindlicher Gewalt benannt hat, mit Blick auf das klassische Täterprofil davon, dass entsprechende Straftaten in der Regel in der Nähe des Wohnortes des Täters begangen werden. Die Zusammensetzung der Täterschaft entspricht daher der jeweiligen Wohnbevölkerung. Dort also, wo viele Herkunftsdeutsche leben, sind es hauptsächlich herkunftsdeutsche Täter, dort wo mehr Migrant/innen wohnen, steigt der Anteil von Tätern mit Migrationshintergrund.
Eine Pädagogik, die lesben- und schwulenfeindlichen Einstellungen und der daraus resultierenden verbalen und körperlichen Gewalt begegnen will, muss daher der Komplexität unserer Gesellschaft gerecht werden. Das Phänomen muss zunächst definiert sein: Was genau ist Homophobie, wie äußert sie sich in meinem Stadtteil? Dabei sind lesbische Migrantinnen und schwule Migranten in der Bildungsarbeit wichtig, weil sie «hüben wie drüben» die selbst- und fremdzugeschriebene Homogenität der jeweiligen Gruppen (heterosexuelle Migrant/innen versus weiße, deutsche, christlich sozialisierte Lesben und Schwule) aufbrechen.
Und: Homophobe Einstellungen sind nicht angeboren, sie werden immer von Erwachsenen übernommen. Zwar mögen Kinder mit migrantischen Eltern dabei herkunfts- oder religionsspezifische Versatzstücke aufgreifen. Vor dem Hintergrund anderer Lebensrealitäten in Deutschland, zu denen nicht zuletzt eigene Diskriminierungserfahrungen zählen, muss man aber sehr viel genauer schauen, welche dieser Versatzstücke von Jugendlichen benutzt werden und vor allem warum.
Alters- und geschlechtsspezifische Ansätze zur Bearbeitung von Homophobie müssen sich daran orientieren, warum spezifische Äußerungen und Verhaltensweisen für ganz bestimmte Jugendliche attraktiv sind, denn weder alle herkunftsdeutschen noch alle migrantischen Jugendlichen sind homophob. Nur wenn nach der Funktionalität von Homophobie für den jugendlichen Identitätsaufbau gefragt wird, lassen sich Wege finden, diesen Einstellungen zu begegnen, ohne daran zu scheitern, dass sie kaum etwas mit den realen Erfahrungen der Jugendlichen hier in Deutschland zu tun haben.
Kreuzberg als Chiffre. Von der Auslagerung eines Problems - Yeliz Çelik, Dr. Jennifer Petzen, Ulaþ Yýlmaz, Koray Yýlmaz-Günay (Berliner Zustände. Ein Schattenbericht über Rechtextremismus, Rassismus und Homophobie, Juni 2009, Seiten 22–28)
Mit den Schwulen (und Lesben) ((und Trans-Personen)) ist «Homophobie» als Thema im Mainstream angekommen. Ungewöhnlich oft und viel wurde 2008 in Berlin über Gewalt gegen Schwule (und Lesben) ((und Trans-Personen)) gesprochen und geschrieben. Warum dabei nur ein Ausschnitt des Phänomens im Fokus stand und welche Funktion dies erfüllte, beschreiben Yeliz Çelik, Dr. Jennifer Petzen, Ulaş Yılmaz und Koray Yılmaz-Günay (GLADT e.V.).
Das Jahr 2008 stellt in Berlin eine konsequente Fortsetzung und zugleich einen Wendepunkt in der staatlichen und zivilgesellschaftlichen Auseinandersetzung mit Homophobie dar. Das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen wurde am 27. Mai 2008 der Öffentlichkeit übergeben – und mit ihm ein Thema, das im kollektiven Gedächtnis bisher kaum vorkam. Vierzehn Jahre nach der Aufhebung und zehn Jahre nach dem Wegfall des Paragraphen 175 aus dem Strafgesetzbuch war damit ein Phänomen historisiert, bevor es überhaupt zu einer gesellschaftlichen Debatte darüber gekommen war. Bei den so genannten «Muslim-Tests» in Baden-Württemberg und in Hessen waren schon Fragen nach dem Lebenswandel von heterosexuellen Töchtern und homosexuellen Söhnen aufgenommen worden. Die Landesregierungen hatten die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen und Schwulen ex officio zum vermeintlichen Kernbestand der bundesrepublikanischen Werteordnung erklärt. In der Folge waren es dann die ausgebliebenen Rechte für «Homo-Ehen» und die Umsetzung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, das in einigen Bereichen auch Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung verbietet, die zum Gegenstand einer Debatte über die Rechte von Homosexuellen wurden, ohne dass Homophobie thematisiert wurde.
Homophobie: Was ist das?
Die Herausbildung bestimmter sexueller Orientierungen, die sich vom angenommenen Mainstream der Gesellschaft unterscheiden, bedingt bestimmbare Abwehrreaktionen seitens staatlicher und gesellschaftlicher Instanzen wie auch auf einer individuellen Ebene von Personen, die damit konfrontiert sind. Homophobie als Ideologie ist so alt wie die Vorstellung, es gebe «Homosexuelle» – eine Vorstellung, die 2009 ihren 140. Geburtstag feiert. Dass es zu anderen Zeiten und unter anderen Bedingungen ganz andere Selbstdefinitionen und, zumindest auf der Oberfläche, andere Vorurteilsstrukturen gab, springt bereits bei einem Vergleich der heutigen Bundesrepublik mit ihrer Gründungszeit ins Auge. Noch 1957 argumentierte das Bundesverfassungsgericht, der damals unverändert geltende Paragraph 175 StGB in seiner 1935 verschärften Fassung stelle kein «nationalsozialistisch geprägtes Recht dar». Mann-männliche Sexualität passte weiterhin nicht zur «sittlichen Gesunderhaltung des Volkes» im Westen, während in der DDR die Strafbarkeit weiblicher Homosexualität 1968 zusätzlich überhaupt erst eingeführt wurde. [1]
Homophobie, das scheinen heute neben der Gewalt auf der Straße, von der Individuen betroffen sind, vor allem noch die steuerliche und adoptionsrechtliche Benachteiligung eingetragener Lebenspartnerschaften zu sein. Dass diese Formen von Homophobie in der Tat einen kleinen Personenkreis betreffen, weil die wenigsten in Frage Kommenden eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen [2] oder, unabhängig von der sexuellen Orientierung, an öffentlichen Orten als «lesbisch» oder «schwul» eingeordnet werden, ist nicht Teil der Debatte. Dazu gehören auch nicht die signifikant höheren Selbstmordraten bei lesbischen und schwulen Jugendlichen, die Überrepräsentanz von Lesben und Schwulen unter Obdachlosen, die oft vollständig fehlende Darstellung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen in Schulfächern, -büchern oder -curricula, Diskriminierungen auf dem Arbeits- und dem Wohnungsmarkt oder seitens Behörden und nicht-staatlichen Dienstleistern, oder als alltäglich hingenommene Missachtungen und Ignoranzen unterhalb des Straftatbestandes der Beleidigung. Zu den größeren Tabus gehört offensichtlich auch die Ausnahme der christlichen Kirchen vom Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Als so genannte «Tendenz-Betriebe» steht es ihnen frei, einzustellen oder zu entlassen, wen sie wollen. Den zusammengenommen zweitgrößten Arbeitgebern im Land ist es damit expressis verbis erlaubt worden, in Altersheimen, Schulen, Kindergärten, Beratungsstellen und allen anderen Einrichtungen ihre Angestellten ungleich zu behandeln, wenn sie ein Kopftuch tragen, einer anderen bzw. keiner Konfession/Religion angehören – oder eben eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen sind.
Nimmt Homophobie zu?
Die 2008 oft gestellte Frage, ob «Homophobie» zunehme, bezieht sich auf all dies nicht. Während die Beschädigungen des oben genannten Mahnmals am 16. August und Mitte Dezember 2008 vor allem offizielle Stellungnahmen nach sich zogen, zeitigten die homophoben Äußerungen von Christoph Daum Ende Mai vor allem eine kurze Mediendebatte, die schließlich zu einer öffentlichen Entschuldigung des Fußballtrainers führte. In einer Dokumentation des Deutschen Sportfernsehens hatte er das Verlangen geäußert, in seiner Arbeit Kinder vor Homosexualität zu beschützen – zu verstehen auch als Erwiderung auf die zaghaften «Liberalisierungsinitiativen» des Präsidenten des Deutschen Fußballbundes. [3] Es waren vor allem einzelne der insgesamt zehn Übergriffe in der Öffentlichkeit [4], die zu zivilgesellschaftlicher Solidarisierung geführt haben – und zwar in einem Umfang, der zum Teil sogar für die Organisierenden überraschend groß war. Nach dem Übergriff auf eine Gruppe von Frauen und Trans*-Personen, die am 8. Juni das Drag-Festival im SO 36 verließen, nahmen mehrere Tausend an einem Demonstrationszug teil, der durch den Kiez führte. [5] Nach dem Übergriff auf einen Mann am Halleschen Tor am 18. Oktober wurde eine Mahnwache organisiert, an der mehrere Hundert Personen teilnahmen, der Übergriff auf zwei Frauen am U-Bahnhof Kaulsdorf-Nord am 27. Oktober mobilisierte noch einige Dutzend Menschen.
Es liegen neben einzelnen Einstellungspotential-Untersuchungen zu Homophobie keine verlässlichen Daten zur Lebenswelt von Homo- und Transsexuellen und Transgendern vor. Wie hoch das Ausmaß der Gewalt gegen diese Personengruppen real ist, lässt sich deswegen seriös nicht einmal schätzen. Es ist aber davon auszugehen, dass die Gewalterfahrungen vor allem von Frauen und Trans*-Personen, die in den Debatten über Homophobie allgemein ohnehin unterrepräsentiert sind, ein wesentlich größeres «Dunkelfeld» darstellen als dies bei Männern der Fall ist. Schon bei der Frage nach «Täter-» und «Opferschaft» im NS-Regime gibt es klare Diskrepanzen in der Repräsentation von Lesben und Schwulen in Debatten, die in «der Szene» geführt werden. Weder gibt es danach historisch oder aktuell schwule Rechtsextreme – noch sind lesbische Täterinnen oder Opfer interessant. Der schwule Opfermythos soll auch heute stehen für das Leid «der Homosexuellen» überhaupt. Dass auch heute wie eh und je Frauen-, Lesben- und vor allem Trans*-Feindlichkeit auch von schwulen Szenen und Männern ausgeht, findet keinen Platz in Szene-Medien oder bei «gemischten» Organisationen. Dabei wäre es gerade wichtig, juristische, soziale und ökonomische Diskriminierungen von Transsexuellen und Transgendern gesondert zu betrachten und Transphobie nicht immer unter einem «Die sind ja mit gemeint» zu subsumieren. Fragen von Namensrecht, Pathologisierung und Medizinalisierung, die Lebenswelten und Diskriminierungen in der Gesamtgesellschaft inklusive lesbischer und schwuler Szenen müssten überhaupt erst in Angriff genommen werden.
Täter, Tatorte
Es sind demgegenüber vor allem die Täter und Tatorte, an denen sich der Diskurs orientiert. (Jugendliche) Migranten [6] und Kreuzberg – gelegentlich auch Neukölln – als Chiffre stehen an erster Stelle, Rechtsextreme bereits abgeschlagen an zweiter Stelle, wenn es auf die Suche nach Ursachen und an die Hierarchisierung der Vorkommnisse geht. Täter und Orte, die auf die so genannte «Mitte der Gesellschaft» hindeuten, scheinen dagegen nicht zu interessieren. [7] Die Zahl der Teilnehmenden an Protestveranstaltungen zeigt es, es sind aber auch die öffentlichen Veranstaltungen, an denen sich das ablesen lässt; es besteht ein immenses Interesse gerade daran herauszufinden, wie Migration und Homophobie sich zu einander verhalten – und wie gesellschaftliche Antworten auf dieses Verhältnis aussehen können. Neben den andauernden Diskussionen um die so genannte «Simon-Studie» [8] aus dem Jahr zuvor waren es auch 2008 vor allem die Themen «Migration» und «Islam», die im Fokus lesbisch-schwuler Antworten-Suche standen. Die Lesbenberatung diskutierte im Mai zu «Gender – Religion – Sexualität» [9], der Lesben- und Schwulenverband beschäftigte sich mit einer homophoben Hetzschrift in einem arabisch-sprachigen Anzeigenmagazin (al-Salam, April 2008), lud interessierte Homosexuelle zum Dialog in die Moschee (3. Oktober) und ließ im November zu «Chancen und Grenzen des Dialogs mit islamischen Organisationen» diskutieren.
Anders als in den Jahren zuvor blieben die Rufe aus den lesbisch-schwulen Communities im Jahr 2008 nicht unbeantwortet. Nachdem es seit etwa dem Jahr 2003 einzelne Kooperationsprojekte von Migrant/innen-Selbstorganisationen mit Selbstorganisationen von Lesben und Schwulen gegeben hatte, haben einzelne Organisationen aus den Communities das Thema Homophobie als ihr eigenes entdeckt. Einige muslimische Organisationen arbeiteten eine Stellungnahme gegen Homophobie [10] aus, für die sie nicht mit Organisationen von Lesben oder Schwulen kooperierten und die sie beim Runden Tisch «Gemeinsam gegen Homophobie» vorstellten, der im Oktober durch den Integrationsbeauftragten und die neu eingerichtete Landesantidiskriminierungsstelle einberufen wurde. Der Migrationsrat Berlin-Brandenburg veröffentlichte eine von über 70 Mitgliedsorganisationen getragene Stellungnahme zum al-Salam-Artikel, in der er allerdings auch vor Ethnisierung des Problems Homophobie warnte – ein bisher in der Debatte nur selten gehörter Einwand, in der sich Migrant/innen-Selbstorganisationen bisher vor allem als Zwangsverteidigerinnen «ihrer» Bevölkerungsgruppe behaupten mussten. [11] In dieselbe Kerbe schlug ein Vertreter aus der türkischen Community beim erwähnten Runden Tisch: Man werde Homophobie in der eigenen Community weiterhin bearbeiten – und zwar in dem Tempo, das man selbst für richtig halte; für Ratschläge von Lesben- und Schwulenorganisationen sei man dankbar, für Vorschriften nicht.
Homophobie im Migrationsdiskurs
Historisch sind Rassismus und Homophobie eng mit einander verbunden – die koloniale Konstruktion der «Anderen» ist immer sexualisiert. «Asiat/innen», «Afrikaner/innen» oder «Oriental/innen» wurden immer als «Rassen» imaginiert und sozial hergestellt, deren männliche Angehörige bestimmte Eigenschaften haben, so wie auch die weiblichen. Kolonialisierte Weiblichkeit und kolonialisierte Männlichkeit definierten die «zivilisierten» Geschlechterrollen in Europa. Ganz ähnlich verlaufen heute die Debatten in vielen westeuropäischen Ländern über Geschlecht und Sexualität in den entsprechenden Migrant/innen-Communities: die Frauen alle unterdrückt und Homosexualität gänzlich verboten. Damit geht die Fiktion einer «aufgeklärten», «emanzipierten» und vor allem Frauenrechte und Homosexualität vollkommen akzeptierenden Mehrheitsgesellschaft einher.
Antworten auf Ressentiments zwischen zwei Gruppen, die sich vermeintlich gegenüber stehen, müssen erst gefunden werden. Sowohl Migrant/innen als auch Lesben und Schwule definieren sich legitimer Weise als «Opfer» struktureller und interpersonaler Diskriminierung. Vor diesem Hintergrund veranstaltete GLADT gemeinsam mit der Landesantidiskriminierungsstelle am 25. November den Fachtag «Gemeinsam für Anerkennung und Respekt – Wie kann Homophobie in der Einwanderungsgesellschaft verhindert werden?» Bereits in der Woche vor der internationalen Tagung, an der etwa 300 Personen teilnahmen, hatte es bei GLADT eine Veranstaltung zum Thema «Homosexualität und Religion – Homophobie und Islamfeindlichkeit» gegeben, bei beiden stand die Frage im Fokus, wie ein hierarchisierungsfreier Umgang mit menschenverachtenden Ideologien und ihren Manifestationen aussehen kann. [12] Ausgehend von den Erfahrungen des ereignisreichen Jahres trat kurz vor Jahresende der Runde Tisch «Kreuzberg für Akzeptanz und Gleichbehandlung» zusammen, bei dem neben Rassismus und Homophobie auch die Themen Sexismus, Antisemitismus, Behindertenfeindlichkeit und Altersdiskriminierung auf die Tagesordnung kamen.
Dass es sich lohnt, Zusammenhängendes tatsächlich auch zusammen zu thematisieren, zeigt ein Blick auf die Geschichte der Gegenwart. Der Prozess der sozialen Herstellung von «Rassen» (Rassialisierung) und ihrer Ungleichwertigkeit war niemals nur biologistisch unterfüttert. Immer waren es auch kulturalisierende und sexualisierende Argumentationen, die es den europäischen Mächten ermöglichten, ihre Unternehmungen nach innen und nach außen zu legitimieren. Nicht-Weiße wie auch verschiedene kulturelle Praxen wurden als weniger wert eingestuft, um die eigene Überlegenheit zu behaupten, auch indem sexuelle Andersartigkeit und fehlende moralische Qualitäten zugeschrieben wurden. Namentlich homosexuelle Praktiken als Straftatbestand wurden in vielen Kolonien erst durch die Kolonialherren implementiert – etwa zu der Zeit, als das Verbot mann-männlicher Sexualität auch in die europäischen Strafgesetzbücher einging. Die Wechselbeziehungen zwischen den Kategorien Geschlecht, Herkunft und sexueller Orientierung dauerten – wie auch andere Elemente kolonialistisch-rassistischer Zuschreibungen – auch nach der Diskreditierung von «Rasse» nach dem Holocaust fort. Nach wie vor ist es die strukturelle Macht, die Weiße innehaben, in deren Dienst sexualisierter Rassismus und rassifizierte Sexualität/Geschlecht stehen.
In den letzten Jahren waren es vor allem auch Diskurse um Sexualität, die in den Migrations- und Integrationsdebatten eine zentrale Rolle spielten. Wie oben skizziert, beherrschen – entgegen aller Empirie – die Fantasie von der vollkommenen Akzeptanz in der «Wir»-Gruppe und das «Integrationsdefizit» bei den «Anderen» alle Auseinandersetzungen über Homophobie. Unabhängig davon, in welcher Generation Menschen in Deutschland leben, sind sie weiterhin mit der Forderung konfrontiert, vermeintlich importierten Sexismus und Homophobie abzulegen und sich zu «unseren Werten» zu bekennen, zu denen ziemlich genau seit den Terror-Anschlägen auf das Pentagon und das World-Trade-Center eben auch Frauenrechte und die Rechte von Lesben und Schwulen gehören. Dass der bildungspolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion im Jahr 2008 die freiwillige Ausreise von Menschen aus «unserem Land» empfehlen kann, die das vermeintlich «homofreundliche» Klima hier nicht mittragen wollen, während seine Fraktion im gleichen Jahr mehrheitlich gegen die Gleichstellung verpartnerter Beamter stimmte, muss auch verwundern. Erstaunlicher sind aber die Angriffe auf Migrant/innen und People of Color, die von feministischen, lesbischen und schwulen Aktivist/innen ausgehen. Vor allem jugendliche männliche Migranten verkörpern in den entsprechenden Beiträgen eine besonders aggressive Form der Homophobie, die quasi notwendigerweise in gewalttätigen Übergriffen endet. Gründe seien die «archaische», «religiöse», «patriarchale» kulturelle Herkunft oder – wie es unter anderem in einem Flugblatt der Grünen heißt – die «homophobe Staatsdoktrin», die offensichtlich aus den Herkunftsländern der Großeltern mitgebracht und konserviert worden sein muss. [13]
So legitim der Ärger über homophobe Einstellungen – und oft genug auch Verhaltensweisen – ist, so illegitim ist dabei die Kollektivierung und Zuschreibung an ein Kollektiv, das im Fall von Muslim/innen nicht nur aus über einer Milliarde Menschen besteht, sondern auch über alle geopolitischen Gebiete verbreitet und glaubenspraktisch extrem heterodox ist. Der Wunsch, Homophobie auf Religion und Religiosität zurückzuführen, überschätzt nicht nur die Wirkmächtigkeit der Religionsgemeinschaft, sondern unterschätzt auch die Wirkmächtigkeit des religiösen Arguments im Rahmen eines rassistisch organisierten Einwanderungsdiskurses. Während die furiose Serie von Presseerklärungen, Veranstaltungen und Runden Tischen in Folge des Übergriffs vor dem SO 36 sehr zu begrüßen ist, weil trans- und homophober Gewalt endlich die Aufmerksamkeit geschenkt wird, die ihr seit Jahrzehnten verweigert wurde, stellt sich simultan und unweigerlich die Frage, was passiert wäre, wenn nicht – vielleicht – an einem der Autos am Tatort ein Aufkleber der «Grauen Wölfe» gesehen worden wäre.
Der Lesben- und Schwulenverband äußert in rascher Folge die bald zur Alltagsweisheit gewordenen Sätze zum erhöhten Vorkommen von Homophobie unter vor allem «türkischen» Jugendlichen. Sie seien schuld an so genannten «No-Go-Areas» in «Problemkiezen», wo sich Lesben und Schwule ihres Lebens nicht mehr sicher sein können. Deswegen habe der Senat seinen Runden Tisch «Gemeinsam gegen Homophobie» einberufen etc. Welche Jugendlichen dabei genau mit «türkisch» oder andernorts «migrantisch» gemeint sind, bleibt im Verborgenen, das Verständnis der Lesenden kann vermutlich vorausgesetzt werden – Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsstatus, ethnische Herkunft, Religion und Religiosität, Alter, Sprachkenntnisse und Bildungsgrad, soziale Schicht und Aussichten auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt etc. spielen keine Rolle, wenn es darum geht, das eine Problem zu definieren und einen integren Schuldigen zu konstruieren.
Im Machtgeflecht einer komplexen Gesellschaft kommt der Zuschreibung einer spezifischen Homophobie eine enorm wichtige Rolle zu. Vor allem Aktivisten aus den Schwulen-Szenen sind es, die nicht nur auf die herkömmliche Konstruktion eines «Anderen» setzen, sondern auch auf eine Hierarchisierung von Zugehörigkeiten und repressiven Maßnahmen wie Kürzungen von Sozialleistungen oder Abschiebung, weil sie dadurch auf eine profitable Aufwertung der eigenen Gruppe hoffen können. Emanzipation ist selbstverständliche Grundlage queerer Politik. In der Komplexität einer Gesellschaft, die nur langsam und gleichzeitig akzeptiert, dass es Einwanderung und die Existenz nicht-heterosexueller Zweierbeziehungen gibt, die auf Reproduktion gegründet sind, kann dies aber nicht ausreichend sein. Allein die Existenz von lesbischen Migrantinnen und schwulen Migranten stellt eine Herausforderung für statische Identitäten dar, wie sie bisher die Diskurse prägen. Migrant/innen sind nicht alle heterosexuell – so wenig wie Lesben und Schwule alle weiß und christlich geprägte Herkunftsdeutsche sind. Das Jahr 2008 hat auf politischen, administrativen und zivilgesellschaftlichen Ebenen in Berlin die Weichen für die zukünftige Debatte gestellt, in der Geschlechterrollen und gesellschaftliche Positioniertheit Ethnizität, politische Überzeugungen und Religion/Religiosität als Analysekriterien ersetzen können. Auf dem Weg in eine inklusive Gesellschaft, die ihrer Vergangenheit und der realen Gegenwart eingedenk ist, können Phänomene wie Homophobie, Sexismus, Rassismus oder Antisemitismus nur gemeinsam angegangen werden.
[1] Die Veränderungen der Nazizeit am Paragraphen wurden kurz nach Gründung der DDR rückgängig gemacht (1950); die dann wieder vor-nationalsozialistische Fassung wurde seit 1960 in der Regel nicht mehr angewandt. Der neue § 151, der erstmals auch homosexuelle Handlungen zwischen Frauen mit einbezog, betraf ausschließlich sexuelle Handlungen Erwachsener an Jugendlichen. Dieser Paragraph wurde 1988 ersatzlos gestrichen.
[2] Der Mikrozensus 2007 nennt 15.000 Eintragungen für die gesamte Bundesrepublik. Zitiert nach: Lizzi Pricken: «Mottenkiste live». In: Gigi – Zeitschrift für sexuelle Emanzipation 60 (März/April 2009), Seite 16–18.
[3] «Da wird es sehr deutlich, wie sehr wir dort aufgefordert sind, gegen jegliche Bestrebungen, die gleichgeschlechtlich ausgeprägt ist, vorzugehen. Gerade den uns anvertrauten Jugendlichen müssen wir mit einem so großen Verantwortungsbewusstsein entgegentreten, dass wir denen einen besonderen Schutz zukommen lassen.» Zitiert nach Tagesspiegel, 24.5.2008: http://www.tagesspiegel.de/sport/Fussball-Christoph-Daum;art133,2536865 Ein Vertreter des lesbisch-schwulen FC-Köln-Fanclubs, der nach der Entschuldigung Daums ebenfalls mit dem Tagesspiegel sprach, verzieh gern: «Christoph Daum ist ein impulsiver Mensch. Er redet schneller, als er denkt. Und dafür liebt ihn Deutschland ja.» (http://www. tagesspiegel.de/sport/Fussball-Christoph-Daum;art133,2585527)
[4] Vgl. ReachOut-Chronik in dieser Publikation.
[5] Bei den im Text genannten Teilnahme-Zahlen handelt es sich um Schätzungen von GLADT-Mitgliedern, die anwesend waren.
[6] Der Begriff «Migrant/innen» ist in vielerlei Hinsicht simplifizierend und ungeeignet, um über die Kinder und Kindeskinder der ehemaligen «Gastarbeiter/innen» zu sprechen. Wir benutzen ihn hier in Ermangelung anderer Begriffe.
[7] Von den zehn homophoben An- und Übergriffen, die durch ReachOut dokumentiert wurden, fanden sieben in Ostberliner Bezirken statt, zwei in Kreuzberg und einer in Tiergarten. Angesichts der demographischen Situation (Anteil von Migrant/innen, Vorhandensein von lesbischer/schwuler Infrastruktur, Menschen, die als «lesbisch» oder «schwul» eingeordnet werden können) stellt diese Verteilung zumindest ein interessantes Faktum dar.
[8] Zur Zusammenfassung, die im Wesentlichen die Grundlage aller öffentlichen Diskussion darstellt: www.typo3.lsvd.de/fileadmin/pics/Dokumente/Homosexualitaet/Simon-Studie.pdf
[9] Zum Einladungsflyer der Veranstaltung, die gemeinsam mit der Landesantidiskriminierungsstelle durchgeführt wurde: www.berlin.de/imperia/md/content/lb_ads/lesmigras_flyer3.pdf.
[10] http://ufuq.de/newsblog/212-islamischevereine-gegen-homophobe-hetze
[11] Die «Anklage» kam im Jahr 2008 etwa dem bildungspolitischen Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Sascha Steuer, zu, der im Berliner Tagesspiegel Folgendes zu empfehlen wusste: «Jeder aber, der seine eigene Kultur, seine eigenen Regeln, seine eigenen ungeschriebenen Gesetze über die unsrigen stellt, seine Kultur und Religion grundsätzlich für wertvoller die unsrige hält, hat in Deutschland keinen Platz. (…) Ein Projekt wie die ‹Respect-Gaymes› muss eben mitten in Wedding oder Neukölln stattfinden. Wer sich daran stört, wer nicht bereit ist, auf dieser Grundlage in Deutschland zu leben, sollte sich entscheiden, unser Land zu verlassen.»
[12] Zur Dokumentation: www.gladt.de.
[13] Trotz der Kritik aus dem Publikum, dass für eine solche Behauptung die empirische Grundlage fehle, schaffte es diese Aussage sogar in den Antrag der Grünen Abgeordnetenhaus-Fraktion zu einem Landesaktionsplan gegen Homophobie, der zu Beginn des Jahres 2009 beraten wurde und dann in den mittlerweile beschlossenen Antrag der Regierungsfraktionen mündete (vgl. «Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt», u.a. http://www.spdfraktion-berlin.de/var/files/pdfzumthema/antrag_sexuelle_vielfalt.pdf.
«Muslimische» Jugendliche und Homophobie – braucht es eine zielgruppenspezifische Pädagogik? - Salih Wolter und Koray Yýlmaz-Günay (IDA-Reader «Junge Muslime in Deutschland» [bisher unveröffentlicht])
Sieht man einmal ab von terroristischen Anschlägen, stehen in den Debatten über «den Islam» bzw. «die Muslime» in Deutschland vor allem Geschlechterrollen und sexuelle Orientierungen im Fokus der Aufmerksamkeit (Bedeutung des Kopftuchs, so genannte «Ehren»-Morde, schwulen- und lesbenfeindliche bzw. häusliche Gewalt, «Zwangsheiraten» etc.). Die Öffentlichkeit diskutiert diese Fragen in einer Breite, wie es in der Bundesrepublik Deutschland selten vorkommt. Auffallend ist dabei, dass in aller Regel nicht mit Muslim_innen [1] gesprochen wird, sondern über sie – dies gilt sowohl für die Politik als auch für Verwaltungen und die Zivilgesellschaft.
Sexuelle Selbstbestimmung scheint in dieser breiten Debatte quasi über Nacht zum Kernbestand der bundesrepublikanischen Werteordnung geworden zu sein. Anstatt über die faktischen Ungleichbehandlungen zu sprechen, die auch im Deutschland des 21. Jahrhunderts fortbestehen, wird das Wort von der Emanzipation als Symbol hochgehalten – und ein formales Bekenntnis dazu soll die Spreu vom Weizen trennen. Dabei verdienen nach wie vor die meisten Frauen weniger Geld als Männer, selbst wenn sie dieselbe Arbeit machen. Dabei werden nachwievor Frauen aus allen Bevölkerungsgruppen Opfer häuslicher Gewalt, unabhängig von Herkunft oder Religion. Dabei haben es Lesben und Schwule immer noch schwer, wenn sie sich ihrer Familie gegenüber «outen», egal, ob und welchen Migrationshintergrund die Eltern haben. Dabei werden Menschen, die nicht in ein eindeutiges «Frauen»- oder «Männer»-Bild passen, nachwievor Opfer von Diskriminierung und Gewalt.
Die Wortmeldungen in Printmedien, Online-Foren und öffentlichen Diskussionsveranstaltungen dazu zeigen, dass die Spaltung der Gesellschaft in «Wir» und «die Anderen» über religiöse und konfessionelle Unterschiede hinweg funktioniert. Wenn ein Täter irgendwie als «muslimisch» identifiziert wird, ist die Nachricht tatsächlich eine Nachricht wert, denn die Einteilung der Menschen in religiöse Gruppen wird wieder ernsthafter vollzogen. Die Jahre 2008 und 2009, die einen immensen Anstieg der Berichterstattung über (nicht nur) homophobe Gewalt aufweisen, zeigen zugleich: Auch wenn die Minderzahl der Fälle de facto «Muslimen» oder «Migrant_innen» [2] zugeschrieben werden kann, sind diese Fälle in den Zeitungen überdurchschnittlich oft vertreten. Rechtsextreme Täter_innen kommen – trotz der Überrepräsentanz unter den realen Vorkommnissen – kaum in den Medien vor, stammen Täter_innen aus der «Mitte der Gesellschaft», erscheint meist nicht einmal eine Nachricht. [3]
Der Rückbezug von Mehrheitsdeutschen auf das Christentum ist damit genauso programmiert wie die (Re-) Islamisierung von Migrant_innen aus mehrheitlich muslimischen Ländern und Gebieten: Wo es nur noch «Kultur»-Blöcke gibt, verschwinden nicht-muslimische Kurd_innen oder christliche Araber_innen wie muslimische Mehrheitsdeutsche und Atheist_innen gleich welcher Herkunft aus dem Blickfeld. Neben «interkulturellen» werden nun überall auch «interreligiöse» Dialoge abgehalten, an denen wie selbstverständlich nach ethnischen Kriterien eingeladene Angehörige von Mehrheits- wie Minderheitenbevölkerung teilnehmen, selbst wenn sie laizistische Türkin oder ehemaliger DDR-Bürger ohne jeden Bezug zu irgendeiner Religion sind. Es sind also nicht Religionen in ihrem theologischen Gehalt oder die tatsächliche Zugehörigkeit zu einer Körperschaft, um die es geht, sondern gesellschaftliche, politische und vor allem mediale Konstruktionen von «Christentum» oder «Islam», die als vermeintlich «Eigenes» bzw. «Fremdes» gedeutet werden.
Folgt man den Debatten gerade über Gewalt gegenüber schwulen Männern, sind die Positionen heute verhärteter denn je. Neben An- und Übergriffen, bei denen Jugendliche mit Migrationshintergrund als Täter in Frage kamen, waren es in den letzten Jahren vor allem zwei Veröffentlichungen, die Empörung auslösten. Erst wurde auf einer Internetseite aus dem Umfeld der Ahmadiyya Muslim Gemeinde männliche Homosexualität mit dem Verzehr von Schweinefleisch «erklärt». Dann sorgte ein schwulenfeindlicher Artikel in dem arabisch-sprachigen Berliner Anzeigenblatt al-Salam im Sommer und Herbst 2008 für teils erregte Erörterungen und Auftritte zum Thema «Islam und Homophobie». Insbesondere junge Männer, die ohne Ansehen der Staatsangehörigkeit oder des Aufenthaltsstatus, der ethnischen Herkunft, Religion oder Religiosität, des Alters, ihrer Sprachkenntnisse oder des Bildungsgrads, der sozialen Schicht oder der eigenen Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen pauschal als «migrantisch» bzw. «muslimisch» eingeordnet wurden, standen und stehen dabei im Zentrum der Aufmerksamkeit. Egal, ob Hamburg, München, Köln oder Berlin: Es scheint von immensem Interesse, ob Homophobie hier religiöse oder kulturelle Ursachen und Motive hat.
Homosexualität und Homophobie in Deutschland
Lesbische und schwule Lebensweisen sind auch heute noch keine Selbstverständlichkeit in Deutschland. In der Schule wird in den seltensten Fällen außerhalb des Biologie-Unterrichts darüber gesprochen, in den Pausen wissen Lehrkräfte häufig nicht, ob – und wenn ja: wie – sie auf Schimpfwörter wie «Schwuchtel» reagieren sollen. Auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt trauen sich die meisten Lesben und Schwulen nicht, sich zu outen, weil sie Mobbing und Jobverlust fürchten, in der Nachbarschaft herrscht oft genug ein feindseliges Klima, in dem Verstecken als sinnvolle Strategie erscheint. Nachwievor ist es nicht «normal», lesbisch oder schwul zu sein. Junge Schwule und Lesben haben immer noch den Eindruck, dass sie die einzigen in ihrem Umfeld sind, wenn sie ihr Coming Out haben. Die Berliner Studie «Sie liebt sie. Er liebt ihn.» [4] aus dem Jahr 1999 kommt u. a. zu dem Ergebnis, dass die Selbstmordraten unter diesen jungen Menschen signifikant höher sind als bei heterosexuellen Altersgenoss_innen. Es sind nicht nur, aber gerade auch die jungen homosexuellen Menschen, die bei ihren Familien «rausfliegen» und dann zu den hohen Zahlen von Lesben und Schwulen unter Obdachlosen führen.
Diejenigen, die diesen Stress-Faktoren im Leben von Menschen in allen Altersgruppen entgegenwirken könnten, interessieren sich in aller Regel nicht für Diskriminierung und Gewalt gegenüber Lesben und Schwulen. Lehrer_innen wissen häufig nicht, wie sie das Thema Sexualität überhaupt aufgreifen sollen, in der Jugendarbeit stehen andere Themen im Vordergrund. Politik und Verwaltung tun wenig für den Abbau der Privilegien von Frau-Mann-Ehen. Das Modell der auf Dauer angelegten und an Nachwuchs orientierten, monogamen heterosexuellen Zweierbeziehung bleibt das Ideal, an dem Gesetze orientiert werden, auch wenn solche Konstellationen immer seltener vorkommen. Die Werbung im Fernsehen, das Gespräch im Freundeskreis oder aber die Schimpfwörter im Fußballstadion – alles deutet darauf hin, dass es «normale» und «abweichende» sexuelle Orientierungen gibt.
Noch komplizierter wird es, wenn die jungen Frauen und Männer aufgrund ihres Namens, ihres Aussehens, ihrer Sprachkenntnisse oder anderer Merkmale als «nicht-deutsch» wahrgenommen werden. Homophobie mischt sich in ihren Lebenswelten mit Erfahrungen von Rassismus, die Diskriminierungen überlappen und verstärken sich gegenseitig.
Die sogenannten «Muslime»
Die Frage, wer «die Muslime» in Deutschland sind, lässt sich nicht beantworten. Anders als in Frankreich oder Großbritannien bilden Menschen mit türkischem und kurdischem Migrationshintergrund die größte Gruppe unter den Migrant_innen und Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland. Vor diesem Sozialisationshintergrund ergeben sich dabei gravierende lebensweltliche Unterschiede zu Migrant_innen aus Nordafrika (Frankreich) bzw. Südasien (Großbritannien), bei denen unterschiedliche Religionsverständnisse viel stärker Teil des gesellschaftlichen Lebens sind. Der türkische Laizismus erklärt dagegen – nach wie vor sehr erfolgreich – Religion und Religiosität zur privaten Angelegenheit. Neben der fehlenden hierarchischen Organisationsform (und damit einhergehend: der fehlenden Registrierung der Gläubigen) ist dies einer der Gründe, warum unterschiedlichste Formen des kulturellen, sozialen und religiösen Muslimisch-Seins möglich sind – genauso wie die Freiheit von Religion. Der Wunsch, «der Islam» in Deutschland möge mittelfristig eine Adresse und Telefonnummer haben (vgl. z. B. die Bestrebungen der Deutschen Islam-Konferenz), ist orientiert am Bild der Kirchen, das so nicht übertragbar sein wird. Dafür stehen Fragen unterschiedlicher Herkünfte und religiöser Praxen etc. zu sehr im Vordergrund.
Die Frage, was «der Islam», der Koran und/oder der für zuständig erklärte Imam zu Homosexualität und Homosexuellen sagen, verdeckt auf der Ebene der Einstellungspotentiale viel wichtigere Fragen nach Alter, Geschlecht und Lebensrealitäten unterschiedlicher Menschen und Bevölkerungsgruppen. Wie in allen anderen stehen auch in Migrant_innen-Familien aus mehrheitlich muslimischen Ländern ganz andere Fragen im Raum, wenn die Tochter sich als lesbisch «outet». Was werden die Nachbar_innen sagen? Was passiert, wenn die Großeltern es erfahren etc. Irgendwann, erst viel weiter unten auf der Liste, wird unter Umständen auch die Frage auftauchen, wie die Religion dazu steht.
Homophobe Einstellungen sind nicht angeboren, und sie führen auch nicht automatisch zu körperlicher Gewalt gegen Lesben und Schwule. Sonst müsste es überall und immerzu «knallen». Diese Einstellungen werden auch nicht von Jugendlichen neu erfunden – immer sind es Erwachsene, von denen sie übernommen werden. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass sich die Erwachsenen-Welt vernehmbar gegen Homophobie positioniert. Sportvereine, aber auch andere weltliche Organisationen wie auch religiöse Gemeinden und Vereine können als Vorbild fungieren – und ein akzeptierendes Klima fördern.
Theologische Positionen
Die Aussagen des muslimischen Mainstreams heute zielen zumeist auf die Sündhaftigkeit, Schädlichkeit etc. von Homosexualität, die aus den Grundquellen islamischer Rechtsprechung (Koran und Prophetenüberlieferungen) abgeleitet werden. Aus beiden lässt sich – folgt man den heute vorherrschenden Auslegungen – nicht nur Ablehnung, sondern nach Meinung vieler Gelehrter auch die Aufforderung zur (körperlichen) Bestrafung zumindest männlicher Homosexualität herauslesen. Dabei wird die im Koran mehrfach aufgegriffene, bereits aus dem ersten Buch der Bibel bekannte Geschichte um Lot so aufgefasst, wie es etabliertem jüdischem und christlichem Verständnis entspricht. Die so genannte «Sünde Sodoms» wird kurzerhand mit der neuzeitlichen «Homosexualität» gleichgesetzt, obwohl es «Schwulsein» bzw. «Lesbischsein» als gesellschaftliche Identität erst seit Ende des 19. Jahrhunderts gibt. Traditionelle islamische Juristen gingen dabei von der These aus, dass gleichgeschlechtliches Empfinden und Sexualität (ohne soziale Identität, die darum aufgebaut wird) ein natürliches Faktum sind. [5] Also lässt sich seriös weder behaupten, der Islam verdamme «Homosexualität», noch, er akzeptiere sie – denn die Einteilung der Menschheit in Schwule/Lesben oder Heterosexuelle stammt aus dieser Gesellschaft und muss so in anderen nicht vorkommen.
Weltliche Erklärungen
Vor diesem Hintergrund ist es sehr begrüßenswert, dass mittlerweile zwei Erklärungen vorliegen, die muslimische Organisationen in Deutschland zum Thema Homophobie herausgegeben haben. [6] Es wäre wünschenswert, dass sie über Berlin hinaus bekannt werden und als Vorbild für andere Städte und Regionen dienen. Der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime in Deutschland teilt mit:
Die Haltung der Religion des Islam zur Homosexualität wird von Aussagen des Koran bestimmt; darin verurteilt der Koran Homosexualität als vom islamischen Natur- und Menschenbild abweichend, knüpft daran jedoch keine konkrete Strafe im Leben.
Ausdrücklich betonen wir an dieser Stelle: Keine Gewalt und Diskriminierung gegen Homosexuelle! Wie dies unter anderem in der Islamischen Charta vom 20. Feb. 2002 und anderen Dokumenten der muslimischen Spitzen- und Dachverbände zum Ausdruck kommt, stehen die Muslime auf der Grundlage des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Danach verhalten wir uns und handeln wir auch und verurteilen jegliche Verfolgung und Diskriminierung von Religionen, Minderheiten und Gruppen, darunter auch Homosexuelle.
Darüber hinaus nahmen einige muslimische Organisationen in Berlin bzw. Berliner Sektionen nationaler Verbände [7] gemeinsam Stellung zu religiös begründeten homophoben Positionen:
Im April dieses Jahres [2008] ist im arabisch-sprachigen Anzeigenblatt al-Salam ein Artikel erschienen, in dem der Autor seine persönlichen und homophoben Ansichten zu Homosexualität und ihren Konsequenzen darlegt. Die Reaktion der Öffentlichkeit auf diesen Artikel war zu Recht Empörung und Unverständnis. Auch wenn der Autor nur für sich selbst sprechen kann, entwickelte sich eine breite Debatte über die Einstellungen von Muslimen in Deutschland zu Homosexualität.
Ausgehend von den Aussagen des Korans gibt es unter muslimischen Gelehrten den Konsens, dass homosexuelle Handlungen theologisch als Sünde zu betrachten sind. Ähnliches gilt – bekanntlich – auch für das Trinken von Alkohol oder außereheliche Beziehungen. Handlungen, die islamisch-theologisch als Sünde betrachtet werden, können wir aus unserem Glauben heraus nicht gutheißen.
Gleichzeitig sind wir der festen Überzeugung, dass die sexuelle Orientierung, der Konsum von Alkohol, oder was auch immer in der islamischen Theologie als Sünde betrachtet wird, Privatsache ist. Ob wir etwas gutheißen oder nicht, wird und kann die Freiheit des Einzelnen in keiner Weise beschränken. Für uns handelt hier jeder Mensch eigenverantwortlich und wird im Jenseits – dies ist fester Bestandteil unserer islamischen Glaubensvorstellung – vor seinem Schöpfer für sein gesamtes Handeln Rechenschaft ablegen müssen.
Auch wenn wir Homosexualität als solche nicht gutheißen, verurteilen wir jegliche Form der Verfolgung oder gar Gewaltanwendung gegen Homosexuelle. Wir wenden uns entschieden gegen jegliche Form der Diskriminierung und Verfolgung irgendwelcher gesellschaftlicher Gruppen einschließlich der Homosexuellen.
Zum Schluss sei angemerkt, dass in der aktuellen Berichterstattung über den oben genannten Artikel manche Autoren direkt oder auch indirekt die Vorstellung bzw. Aussage kritisieren, dass Homosexualität eine Sünde ist. Hierdurch erwecken sie den Eindruck, dass dies eine Ursache von Homophobie sei. Nicht die Glaubensvorstellung führt zu Homophobie, sondern vielmehr ein mangelndes Verständnis über die Freiheit des Einzelnen. Muslime – und nicht nur sie – wird man für den Kampf für individuelle Freiheit nicht gewinnen können, indem man Glaubens- und Moralvorstellungen kritisiert. Stattdessen erreicht man das Gegenteil. Entscheidend ist vielmehr die Vermittlung eines richtigen Verständnisses für die vielfältige Freiheit des Einzelnen bzw. des Anderen unabhängig von den eigenen Überzeugungen, die jeder Mensch wiederum für sich frei wählen kann.
Auch wenn diese Organisationen nicht für «die Muslime» oder gar «den Islam» sprechen können, ist ihre Positionierung zum gesellschaftlichen Problem der Homophobie sehr zu begrüßen. – Beide Erklärungen folgen der Interpretation, wonach Homosexualität Sünde ist, und betonen zugleich, dass darüber erst im Jenseits zu richten sei. Für das Hier und Heute lehnen sie nicht nur jede Gewalt ab, sondern verlangen ausdrücklich die Achtung der individuellen Grund- und Freiheitsrechte.
Die Unterzeichner – zu denen mit DITIB die mitgliederstärkste muslimische Organisation in Deutschland gehört – fühlen sich in ihrer Glaubensüberzeugung an den «Konsens» der Gelehrten gebunden, unterstreichen jedoch, dass dies stets der Gewissensentscheidung jedes einzelnen Menschen überlassen bleiben muss, und bekennen sich damit zu einer Rechtsordnung, in der die Freiheit individueller Lebensentwürfe garantiert ist.
Zu einer Bewertung
Gerade weil der öffentliche Diskurs dazu neigt, Migrant_innen zu (re-) islamisieren, sollten solche Erklärungen explizit nicht als von «den» Muslimen kommend verstanden werden – es kann nicht oft genug betont werden, dass im Islam niemand mit einer dem Papst oder auch nur evangelischen Bischöfen vergleichbaren Autorität sprechen kann. Die Erklärungen zur Homophobie tragen dennoch zu einer wünschenswerten Diversifikation des Bildes bei. Vor dem Hintergrund vor allem einer Mediendebatte, in der sich vermeintlich akzeptierte «Lesben und Schwule» als Verkörperungen westlicher «Aufgeklärtheit» und «Zivilisation» einerseits und «Migrant_innen» bzw. «Muslime» als leibhaftige Symbole eines «vorzivilisatorischen» Kollektivismus andererseits gegenüberstehen, scheint es bei jeder Rede über Islam und Homosexualität sinnvoll, auf folgende Punkte explizit hinzuweisen: Weder sind in Deutschland die Grund- und Freiheitsrechte von Homo- und Bisexuellen und schon gar nicht die von Transsexuellen und Transgendern verwirklicht, noch sind homogenisierte Vorstellungen von «den» Deutschen, «den» Migrant_innen oder «den» Muslimen hilfreich in einer Debatte, wo es um gesellschaftliche Emanzipation gehen sollte. Denn dann dürfen weder Bevölkerungsgruppen (Frauen, Migrant_innen, Homosexuelle) noch Probleme (Sexismus, Rassismus, Homophobie) nach mehr oder weniger Wert bzw. Brisanz hierarchisiert werden.
Die Erklärungen sind somit vor allem dazu geeignet, anti-muslimischen Verengungen der Debatte entgegenzuwirken. Weniger leicht erkennbar ist ihr Nutzen im Kampf gegen Homophobie, insofern diese von den unterzeichnenden Organisationen auch bisher nicht propagiert wurde. Groß angelegte homofeindliche Kampagnen, wie sie der Vatikan gerade auch heute nicht nur in Spanien und Italien immer wieder betreibt, sind also von diesen Islam-Verbänden auch in Zukunft eher nicht zu erwarten. Indem sie der Verantwortlichkeit der einzelnen Menschen vor Gott einen so großen Wert zumessen, formulieren sie damit zugleich auch ein zeitgemäßes «laizistisches» Religionsverständnis. Das mag zumindest lesbische und schwule Muslim_innen ermutigen, für sich zu anderen Schlüssen als die Gelehrten zu kommen, was die Vereinbarkeit ihres Glaubens und ihrer Sexualität betrifft. [8]
Ausblick
Werden Herkunft und Religion/Religiosität zum Analyse-Raster, verstärken sich Blockaden und Polaritäten, die einem Mediendiskurs geschuldet sind, der hauptsächlich von Mehrheitsdeutschen über «die Muslime» geführt wird. Prävention, die darauf baut, muss scheitern, weil sie kaum etwas mit den realen Erfahrungen von Menschen heute und hier in Deutschland zu tun hat, denn Menschen, die permanent hören, «bei ihnen» sei es «so», antworten dann irgendwann auch: «Bei uns ist das so.»
Gewalttätigkeit entwickelt dabei häufiger, wer selbst Gewalt erfahren hat. Faktoren wie Geschlecht, Alter, gesellschaftliche Schicht und eigene Diskriminierungserfahrungen entscheiden zu einem ganz wesentlichen Teil, welche Jugendlichen und Erwachsenen Gewalt gegen Lesben und Schwule anwenden. Strategien zum Abbau verbaler und körperlicher Gewalt sollten diese Faktoren zum Ausgangspunkt nehmen. Alters- und geschlechtsspezifische Ansätze zur Bearbeitung von Homophobie müssen sich daran orientieren, warum spezifische Äußerungen und Verhaltensweisen für ganz bestimmte Menschen attraktiv sind, denn weder alle Mehrheitsdeutschen noch alle Migrant_innen sind homophob. Nur wenn nach der Funktionalität von Homophobie für den eigenen Identitätsaufbau, z. B. für Jugendliche mit «muslimischem» Migrationshintergrund, gefragt wird, lassen sich gangbare Wege finden, diesen Einstellungen und Verhaltensweisen zu begegnen – über die künstlich gezogenen Grenzen zwischen Bevölkerungsgruppen hinweg.
Die Autoren arbeiten beim Verein GLADT – Gays & Lesbians aus der Türkei, der in Berlin Lesben, Schwule, Bi- und Trans*-Personen berät und auf unterschiedlichen Ebenen zu den Themen Rassismus, Sexismus/Transphobie und Homophobie arbeitet. Der Verein hat jüngst das Projekt „Homosexualität in der Einwanderungsgesellschaft – Handreichungen für emanzipatorische Jungenarbeit“ abgeschlossen, das in Zusammenarbeit mit pädagogischen Fachkräften Methoden zum Umgang mit Sexismus/Transphobie und Homophobie entwickelt hat. Die Materialien sowie eine Erhebung unter Lehrer_innen, Jugendarbeiter_innen und anderen (Sozial-) Pädagog_innen zu den hier besprochenen Themen können auf den Internetseiten www.HeJ-Berlin.de und www.GLADT.de eingesehen und heruntergeladen werden. Auf der Internetseite des Vereins findet sich auch ein Dossier zu «Religion und Homosexualität im Kontext von Rassismus». (Kontakt zu den Autoren: info@GLADT.de.)
[1] In diesem Artikel wird der «Gender Gap» verwendet, um auch Personen, die sich nicht innerhalb der Zweigeschlechtlichkeit verorten können oder wollen, sichtbar zu machen und sie mit einzubeziehen. Der Unterstrich als Leerstelle verweist auf Menschen, die gesellschaftlich und strukturell unsichtbar gemacht werden und die sprachliche Repräsentation jenseits der Zweigeschlechtlichkeit zur Debatte stellen.
[2] «Migrant_innen» ist ein Begriff, der in diesem Text bewusst in der Einengung benutzt wird, die in Politik, Medien und Zivilgesellschaft – ungerechtfertigter Weise – seit einiger Zeit gangundgäbe ist. Dem öffentlichen Diskurs folgend sind nicht Migrant_innen aus osteuropäischen oder afrikanischen, asiatischen oder amerikanischen Ländern gemeint; «Migrant_innen» sind hier Menschen mit Wurzeln in mehrheitlich muslimischen Ländern oder Gebieten – für den deutschen Kontext also v. a. Türk_innen und Kurd_innen, als die größten Migrant_innen-Gruppen, oder Araber_innen und Bosnier_innen. Darüber hinaus werden aber auch Menschen in die Schublade «Migration» gesteckt, die etwa als Sinti, Roma oder Schwarze Deutsche aufgrund ihrer äußeren Erscheinung als «Migrant_innen» identifiziert werden. Offensichtlich ist es der Blick der weißen deutschen Mehrheitsgesellschaft, der hier entscheidet, über wen gesprochen wird.
Flüchtlinge, die zum Teil seit mehr als zehn Jahren in Deutschland leben und keinen Zugang zum Arbeitsmarkt haben, und deren Kinder leben vielfach unter katastrophalen Bedingungen. Jede Präventions- und Interventionsarbeit auch zu den Themen Sexismus/Transphobie und Homophobie müsste am Aufenthaltsstatus und am Zugang zu Gesundheit, Arbeit und anderen gesellschaftlichen Gütern ansetzen. Andernfalls droht eine doppelte Stigmatisierung.
«Mehrheitsdeutsch» bezeichnet in diesem Text weiße Personen ohne Migrationshintergrund, die (post-) christlich sozialisiert wurden. Schwarze Deutsche, Roma/Sinti, Jüdinnen/Juden und Migrant_innen bzw. deren Nachkommen sind unter Umständen Deutsche, ohne (immer) die Privilegien nutzen zu können, die mit einer deutschen Staatsangehörigkeit verbunden sind.
[3] Vergleiche die Analyse «Kreuzberg als Chiffre. Von der Auslagerung eines Problems» von Yeliz Çelik, Dr. Jennifer Petzen, Ulaþ Yýlmaz und Koray Yýlmaz-Günay, erschienen in: Berliner Zustände 2008. Ein Schattenbericht zu Rechtsextremismus, Rassismus und Homophobie, herausgegeben vom Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin (apabiz) und der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR), Mai 2009, S. 22–28.
[4] Herausgegeben vom Fachbereich für gleichgeschlechtliche Lebensweisen bei der damaligen Berliner Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport, Fachbereich für gleichgeschlechtliche Lebensweisen, in Kooperation mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Der Fachbereich für gleichgeschlechtliche Lebensweisen ist heute als Teil der Landesantidiskriminierungsstelle bei der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales angesiedelt.
[5] Georg Klauda: Die Vertreibung aus dem Serail. Europa und die Heteronormalisierung der islamischen Welt, Hamburg 2008, Seite 51.
[6] Zur Entstehungsgeschichte und zur Debatte vergleiche auch www.UFUQ.de.
[7] Es handelt sich um den Deutschsprachigen Muslimkreis (DMK), DITIB, Inssan, das Interkulturelle Zentrum für Dialog und Bildung (IZDB), das Islamische Kultur- und Erziehungszentrum (IKEZ), die Muslimische Jugend und die Neuköllner Begegnungsstätte (NBS).
[8] Während sich in den USA und in Großbritannien auch Selbstorganisationen lesbischer, schwuler und transgender Muslime gegründet haben, sind entsprechende Versuche in Deutschland bisher nicht erfolgreich gewesen. Für den deutschsprachigen Kontext sei deswegen auf die detailreichen Texte des Islamwissenschaftlers und schwulen Muslims Andreas Ismail Mohr verwiesen, der sich seit Jahren um eine breitere innermuslimische Debatte bemüht, die die Perspektive schwuler Muslime zur Kenntnis nimmt (http://home.arcor.de/yadgar/mohr/islam_homo2.html, zuletzt eingesehen am 26. November 2009).